29. August 2016

Review: Beginner – Advanced Chemistry (Album-Kritik)

Advanced Chemistry bei amazon.de

Seit vergangenen Freitag ist es endlich im Handel: das erste Beginner-Album nach über 13 Jahren! Der Titel „Advanced Chemistry“ – eine Hommage an die Heidelberger Rapcrew um Torch und Toni L.

Das neueste Werk spaltet die Kritiker- und HipHop-Szene. Die einen lieben den neuen Sound von Eizi Eiz, Denyo und DJ Mad und die anderen werfen den Beginnern fehlende Innovationen und inhaltliche Leere vor. Wie bei allen guten Dingen, wird also zumindest munter drüber diskutiert, was man ja auch gewissermaßen erstmal schaffen muss.

Was los digga, ahnma!

Die Vorab-Single „Ahnma“ mit der unfassbar einprägsamen Bridge von 187 Rapper Gzus hat die Vorfreude auf das Album schon extrem angefeuert. „Ahnma“ ist ein Riesen-Opener und wird auf der Beginner-Tour im November mit bassigem Schiffshorn und einer großen Portion Liebe zu Hamburg die Show standesgemäß einleiten.

Die zweite Single „Es war einmal…“ kommt da schon deutlich poppiger um die Ecke und erzählt die knapp 25-Jährige Geschichte der Absoluten Beginner über das Kennenlernen auf dem Basketballplatz, dem Liebeslied-Hype Ende der Neunziger und dem ersten deutschen Rap Nummer-Eins-Album „Blast Action Heroes“ – übrigens mit einem großartigen Musikvideo. Es folgt „Meine Posse“ zu der sich Samy Deluxe als vierter Beginner gern dazugesellt. Auf einem Dancehall-geprägtem Beat flowen die drei Rapper gekonnt – wenn auch entfernt von dem besonderen Flash, der damals mit „Füchse“ geschaffen wurde.

Die „Schelle“ dürfte Festival-Besuchern schon bekannt sein. Der Song startet mit Reggae-Instrumentalisierung (One-Drop), geht dann aber mit einem Trap-basierten Beat weiter. Erinnert etwas an den Sound von „Zum Glück in die Zukunft“ (Marteria). Kommt gut! „So schön“ mit einem gewissen Dendemann ist mir persönlich etwas zu ruhig und wird eher geskipt – dennoch ist es Rap-technisch ein guter Song!

Engel in KIK oder Teufel in Prada

Eizi Eiz

„Rambo No. 5“ ist da wieder deutlich flotter. Mir aber zu chaotisch – dennoch gefällt mir das Titel-Wortspiel recht gut. Der Beat und die Vortragsweise sind recht anstrengend. „Kater“ hingegen finde ich wieder saugut. Eine Hymne an den Kater:

Gestern war ich blau, heute sehe ich schwarz / Denn so voll wie ich war, so leer bin ich jetzt

Denyo

Gerade Denyo hat hier ganz viele tolle Zeilen am Start. Der Song kommt sehr entspannend und hat etwas von dem Feature-Song mit J-Luv („Bei Nacht“). Abgehen darf man dann wieder bei „Rap & fette Bässe“ mit gesampeltem Reimemonster-Refrain von Afrob und Ferris MC (Uhh Uhh! Reimemonsters!! ;-) ). Die „Hits-am-Fließ-Band“ weiß halt wie man die Fans von früher zumindest nen Stück weit glücklich machen kann. Es folgt „Spam“ auf einem recht dramatischen Piano-Beat. Inhaltlich geht es hier um die zunehmende Digitalisierung. „Tinder statt Kinder“ rappt Eißfeldt hier in Anlehnung an eine frühere Zeile von Samy Deluxe: „Ich hör Politiker reimen: Sie wollen lieber Kinder statt Inder“. Schön, dass diese Hamburg-Verbindung weiter funktioniert.

„Thomas Anders“ bounct ganz gut. Der Jan Delay-ige Refrain nervt allerdings ein wenig. Vielleicht hätte man stattdessen nur auf die Vocal Cuts setzen sollen. Megaloh trumpft hier allerdings mit dem besten Feature-Part der Platte auf („ein Schrank kann nicht in eine Schublade passen“ oder „sie sagen ich bin anders ist ein Anderstatement“). Die größte Überraschung auf der Liste der Gäste ist sicherlich Haftbefehl. Ich war skeptisch, aber es passt! Hafti kann unheimlich gut Stories erzählen und es ist hinlänglich bekannt, dass er „Hammerhart“ damals sehr abgefeiert hat. Im Gegenzug fanden Denyo und Eißfeldt Hafti gut und so ist das Feature völlig legitim. Der Vortrag ist hier im Stile von „Ahnma“ wieder etwas aggressiver. Gefällt!

Advanced Chemistry: Das Bambule der Neuzeit?

Advanced Chemistry endet mit dem von Denyo produzierten nachdenklichen Track „Nach Hause“. Langsam geht die neueste Platte von Beginnern also zu Ende – eine Art „Geh Bitte“ und vielleicht der letzte Track bei der bald startenden Tournee.

Insgesamt ein tolles Album. Ich freu mich, dass ich eine der limitierten weißen Advanced Chemistry Vinyls ergattern konnte. Kein Bambule, kein Blast Action Heroes, aber ein gutes Beginner-Album, dass länger bestehen bleiben wird als das letzte, aber natürlich für immer im Bambule-Schatten stehen wird. In Zahlen ausgedrückt: 4/5.


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