Manch einer hat den Hamburger Rapper vielleicht schon aufgegeben. Die letzten Solo-Release waren nicht gerade die besten – insbesondere Männlich und die gesamte Kampagne drum herum mussten viel Kritik einstecken. Von Herrn Sorge, dem schrägen, geschminkten Alter-Ego, ganz zu schweigen.
Heute sind nun die „Berühmte Letzte Worte“ von Samy Deluxe rausgekommen. Auch wenn meine Vorschusslorbeeren für diesen Jugendhelden noch für eine Vorbestellung ausgereicht haben, war ich nach den Vorab-Releases „Mimimi“ und „Klopapier“ weiterhin skeptisch. Doch ich bin super zufrieden!
Kraftvolle Deluxe-Raps und Bazzazian als Überproduzent
„Berühmte letzte Worte“ ist ein insgesamt rundes Ding geworden. Rap-technisch endlich wieder mit Druck und Hunger in der Stimme. Gute und nicht mehr ganz so komplexe, konstruierte Reim-Schemata, kombiniert mit einer Top-Produktion für die unter anderem Haftbefehls Hausproducer Bazzazian verantwortlich ist. Schon Samys Parts auf Blockbasta haben diese Richtung angedeutet.
Doch von vorn. Einleitende letzte Worte findet Samy im „Vorwort“. Er stellt klar, dass er nicht mehr battlerappen braucht und dass sich alle Rapper, die sich „King“ nennen, mit ihm messen müssen. Auch braucht er keine Maske, fühlt sich aber trotzdem beobachtet in „seinem Käfig“ (gefolgt vom astreinen „Lass die Affen aus dem Zoo“ Hafti-Sample). Entspannter Beat und ein perfektes Intro. Es folgt der womöglich Radio-tauglichste Song: das zuckersüße, soulige „Haus am Mehr“. Es geht darum, dass man im Leben immer mehr möchte (mehr Zeit, mehr Glück, mehr Liebe usw.). Außerdem gibt es einen selbstreflektierten Samy Deluxe zu hören.
„Countdown“ wird von ASD-Partner Afrob eingeleitet. Am auffälligsten ist hier die tiefe Stimme und eine zweite Strophe, die die eigene Vermarktung Samys teils etwas in Frage stellt (Promo-Kalkül, kommerzielle Singles auf Wunsch des Labels usw) und der ewig schmale Grad zwischen Beglückung der alten Fans und der musikalischen Weiterentwicklung. Der Countdown zur Veröffentlichung eines neuen Tonträgers…
Video: Samy Deluxe – Klopapier
Das sehr Deutschland-kritische „Klopapier“ wartet mit 4/4-Takt auf und einem kraftvollen Bläser-gestützten Refrain. Thematisch geht es unter anderem um die Flüchtlingspolitik und die Probleme der Waffenexporte.
Ein weiterer Classic des Albums ist definitiv das von Megaloh unterstützte „Epochalität“. Schön Old-Schoolig, gepaart mit smoothen Raps. Auch „Tellerrand“ überzeugt und erzählt Geschichten aus Samys Kindheit („Man wird nicht tolerant, schaut man nicht über den Tellerrand“).
„So good“ würde mir deutlich besser gefallen ohne den schrecklich nervig verzerrten Refrain-Part. „Bisschen mein Ding“ kommt da wieder souliger um die Ecke. Schneller Vortrag, eine kleine Liebeserklärung.
Deutsch-Rap mit Persönlichkeit und Soul
„Was ich fühl“ (mit passendem Max Herre Sample), „Papa weint nicht“ und das rührende „Von dir Mama“ (dir/dear Mama) sind sehr persönliche Songs geworden. Das eigentliche Album schließt mit den „Berühmte(n) letzte(n) Worte(n)“ ab. Battle-Rap, aggressiver Vortrag und ein Cut-basierter Refrain. Old-School-Gefühl, welches das Standardalbum abrundet:
Die Bonustracks sind ihr Geld definitiv wert (im Zweifel bei iTunes checken). Das trapige „Habs erkannt“ ist nicht Jedermanns Sache. Großartig ist hingegen „Jericho“ geworden. Samsemilia rockt hier mit Gentleman (!), der nicht mal als Featuregast genannt wird, über ein unfassbares Beatbrett mit orientalischem Touch – wahrscheinlich von Bazzazian. Wow! Ich bleibe ein Fanboy ;-)
„Zeitlupe“ ist vom gesungenen Rap-Stil vergleichbar mit „Stumm (Xenia)“ vom Album „Dis, wo ich herkomm“ und gefällt auf seine Art. Abgerundet wird das Bonuspaket mit dem Ri-Ri-Ri-Remix von „Mimimi“ (Mitbürger mit Migrationshintergrund) mit Features von Afrob, MoTrip und Eko Fresh. Insgesamt deutlich besser als die Originalversion.
Hört Euch das Album einfach mal an! Und falls Ihr noch unentschlossen seid, gebt Euch Samys One-Take-Wonder „Meisterplan“. Großes Ding! Sogar Scooter schreit „Hyper, Hyper“! :-)