Ferris MC ist nach über zehn Jahren wieder solo unterwegs. Der einstige „Fertich MC“, zwischenzeitlich zum Deichkind mutierte und inzwischen mit beiden Beinen im Leben stehende Deutsch-Rapper der ersten Stunde feiert mit „Glück ohne Scherben“ nun endlich sein Comeback.
Gestern erschien die neue Platte und in einem Blog mit dem wohlklingenden Namen „Reimemonsters“ ist klar, dass die folgende Plattenkritik nur bedingt voreingenommen und wenig objektiv daherkommt.
Im Vorfeld der Albumveröffentlichung wurden mit „All die schönen Dinge“, „Roter Teppich“ und „Fensterlose Zeit“ bereits drei Videosingles veröffentlicht, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. „All die schönen Dinge“ ist ein elektronisch angehauchter Pop-Song auf „Ferris“-Niveau, „Roter Teppich“ eine rockige Crossover-Abrechnung mit zahlreichen B-Promis und „Fensterlose Zeit“ ein nachdenklicher Song im Stile seines kommerziell erfolgreichsten Hits „Zur Erinnerung“. Ich meine sogar, dass beide Songs eine bestimmte Melodie-Abfolge gemeinsam haben.
Die Vorfreude war also vorhanden, wenn auch wenig definiert, da „Glück ohne Scherben“ – ohne Bonustracks – insgesamt 13 Tracks enthält und mir nicht ganz klar war in welche Richtung das Album wohl gehen wird. Nun seit Freitag ist das klar. Es ist weniger Old-School als erhofft, aber dennoch recht facettenreich. Natürlich wünscht man sich Songs wie „Asimetrie“, „Ferris macht Blau“ oder „Reimemonster“, doch es scheint verständlich, wenn ein über 40-Jähriger Künstler sich nicht mehr als „fertiger Drogen-Typ“ verkaufen möchte. Tatsächlich ist Ferris seit Ewigkeiten „grasfrei“ und hat mit den härteren Substanzen sogar vor noch längerer Zeit aufgehört.
Was bleibt also übrig? Ein Rapper, der viel in seinem Leben erlebt hat, nach wie vor nicht wirklich ein Blatt vor den Mund nimmt und noch immer mit Kettensäge-Stimme durch die Boxen kracht. Letztendlich ist eben diese Stimme wohl sogar sein größtes Markenzeichen und die nötige Kontinuitä um alt und neu zu verbinden.
Ferris MC – Roter Teppich (Video)
Der größte Hit ist meiner Meinung nach der Titeltrack „Glück ohne Scherben“. Großartige Stimmung, die dieser Song erzeugt – inkl. starkem Refrain:
Einziger Feature-Gast aus dem Rap-Umfeld ist übrigens Eko Fresh, der auf „Kill, Kill, Kill“ gemeinsam mit Ferris gegen Newcomer-MCs schießt. Während der Strophen ist das straighter Rap. Im Refrain kommt dann etwas „Punk“ hinzu. Generell hört man Ferris‘ Faible für punk-lastige Nummern öfters heraus (z.B. auf „Monstertruck“). „Die Zahnfee“ kommt trotz Gitarren-Unterstützung mit einem recht nervigen Refrain um die Ecke. Ende 2013 war ich auf dem Jubiläums-Konzert im Bremer Schlachthof. Ich meine mich zu erinnern, dass der Track – zumindest der Refrain, dort auch schon gespielt wurde. Auch den Bonustrack der Fanbox „Meine Kettensäge lebt“ habe ich schon damals live gehört. Der Song ist deutlich elektronischer und geht musikalisch in die Richtung von „Popstarz“. Dennoch: Fans dürfen sich über „Glück ohne Scherben“ freuen. Es ist weniger Ferris aus Asimetrie-Zeiten wie angenommen und weniger Deichkind-Einflüße herauszuhören wie vermutet. Wobei ein Track im Stile von „So’ne Musik“ schon ruhig hätte sein dürfen.
Wenn ich jetzt die 10 als Maximal-Bewertung ansetze, gebe ich dem Album nach dem ersten zwei, dreimal Durchhören eine 8 auf der Skala. Ich gönne dem Kerl jedenfalls den Erfolg und freue mich schon auf den Han’g’over Jam Ende Juni in Hannover mit Ferris, Samy Deluxe und Afrob.